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Denkmalschutz

Begründung für die Eintragung als Denkmal

Der stattliche und aufwändig gestaltete neugotische Ziegelbau prägt das Erscheinungsbild der nördlichen Teile des Luckenwalder Stadtkerns in hohem Maße und besitzt daher zusammen mit den gärtnerisch gestalteten Freiflächen städtebauliche Bedeutung. Die Wirkung wird nicht allein durch die beachtliche Baumasse erreicht, sondern auch durch die sorgfältige Gestaltung der Fassaden und der Dachlandschaft, die Vermittlung der Architektur zur Freifläche der Nutheniederung durch die rasterförmige Baumpflanzung sowie die Anordnung des Gebäudes im Straßennetz. So befindet sich der markante Mittelrisalit mit Staffelgiebel und polygonal vorspringender Treppenhalle genau in der Achse der Burgstraße, bildet also einen Blickpunkt für den von Süden, also vom Stadtzentrum her, kommenden Betrachter.

Die Hospitalanlage entstand in einem nördlichen Stadterweiterungsgebiet, wo ein großzügiges Grundstück erworben werden konnte. Erst 1882 war die Lindenstraße angelegt worden. Das Heinrich-Stift gehört zu den in den Stadterweiterungsgebieten neu geschaffenen Infrastruktureinrichtungen. Auch als Zeugnis für die industrielle Entwicklung Luckenwaldes und das soziale Engagement einiger Fabrikanten besitzt es stadtgeschichtliche Bedeutung. Die Brüder Heinrich ermöglichten durch ihr Erbe den Bau des ausgesprochen großzügigen und für die damalige Zeit fortschrittlichen Wohnheims.

Das Hospitalgebäude gehört zu den Hauptwerken der Architektur des 19. Jahrhunderts in Luckenwalde, womit ihm auch baugeschichtliche und künstlerische Bedeutung zukommt. In diese Zeit, aufgrund der besonderen Bedeutung der Stadt während der Weimarer Republik bisher zu wenig gewürdigt, fällt der rasante Aufschwung der Stadt, die sich damals zu einem der wichtigsten Industriezentren der Mark Brandenburg entwickelte. Weite Teile des Stadtbildes werden bis heute durch diese Phase geprägt. Aus der Masse der Wohn- und Gewerbebauten ragen verschiedene Hauptbauten heraus, die für Luckenwalde Wahrzeichencharakter besitzen. Neben der Jakobi- und Petrikirche, dem Postamt oder dem Hauptgebäude des Schlachthofs gehört dazu auch das Heinrich-Stift. Den Bau kennzeichnet ein strenger und rationaler Aufbau. Elemente früherer Stilepochen werden zur Aufwertung sowie zur Akzentuierung bestimmter Bauteile und Funktionsbereiche eingesetzt. So verdeutlichen aufwändige neugotische Fenster und der polygonale Vorsprung die zentrale Treppenhalle. Auch die Seitentreppenhäuser und die Sanitärbereiche sind durch besondere Gestaltung schon äußerlich erkennbar. Markante Akzente setzen die – nicht zuletzt aus städtebaulichen Gründen – reicher gestalteten Giebel. Neben allgemein neugotischen Elementen wie Spitzbogenblenden oder Fialen lassen sich teilweise auch konkrete Vorbilder benennen. So wurden die achteckigen Aufsätze mit den vier Begleittürmchen, die die ungewöhnlich aufwändigen Zaunpfosten bekrönen, von Stadttoren der märkischen Backsteingotik inspiriert (vgl. Tortürme in Schönfließ und Königsberg in der Neumark). Immer wieder finden sich Anklänge an Wehrarchitektur. Zinnenabschlüsse zeigen z.B. die als Schauwände hochgeführten, von türmchenartigen Fialen gerahmten Mittelteile der Giebel, der Mittelpfosten der Haupteingangstür, innen die Rahmung der Stiftertafel in der Treppenhalle oder die Wandschränke der Wohnungen. Dagegen zeigt die repräsentative Eingangshalle mit der Haupttreppe sakralen Charakter. Bei den meisten Zierelementen kam es keinesfalls zu einer exakten Nachahmung mittelalterlicher Vorbilder, sie wurden vielmehr auf teilweise recht unkonventionelle und originelle Weise umgewandelt und eingesetzt, was mitunter zu expressiven und modernistischen Lösungen führte. Dazu gehören in der Treppenhalle die spornartigen, von Abtreppungen aufgefangenen Dienste, das zur Begleitung des Treppenlaufs „umgebogene" Deutsche Band oder die zwischen der geringeren Höhe der Flure und der Treppenhalle vermittelnden asymmetrischen Gewölbe. Mit den abgetreppten Konsolen und Kapitellen sowie dem Verzicht auf Formziegel besitzt der Bau den Charakter einer abstrahierten Neugotik. Typisch für den späten Historismus ist es auch, dass nicht allein Formen einer bestimmten Vorbildphase Verwendung fanden, sondern aus unterschiedlichen Stilepochen. Neben den vorherrschend gotischen Elementen zeigen z.B. die Türbeschläge barocke Gestaltung, finden sich an der Rückwand der Treppenhalle rundbogige Blendarkaden, erinnert das Geländer der Haupttreppe an die Zeit um 1800 und ist die Gestaltung der Haupteingangstür vom Jugendstil beeinflusst.

Als gut erhaltenes, durch teilweise originelle Gestaltungsideen auffallendes Beispiel der Architektur des späten Historismus und Werk des Landesbaurats Otto Techow (1848–1919) besitzt das Heinrich-Stift schließlich wissenschaftliche Bedeutung. Die Architekturrichtung am Übergang zur Moderne wurde für die Region und das Land bisher nicht angemessen gewürdigt. Obwohl der als Baubeamter beim Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg wirkende Techow zu den einflussreichen Baumeistem der Zeit um 1900 gehört, ist sein Werk noch nicht umfassend aufgearbeitet. Auf ihn gehen so ansehnliche Bauten wie der Wasserturm und die Villa Anna am Fichtenberg in Berlin-Steglitz, das Viktoriastift in Dahme, die Pfarrhäuser der Brandenburger Katharinenkirche oder die Dorfkirche Hoppenrade im Havelland zurück.

 

Quelle: Dr. Markus Kante, Torsten Volkmann Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege 2012

 

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